
Ich bin immer mit großen Ansprüchen in die Welt gegangen. Glaubte immer die Sachen müssten sofort funktionieren und das auch noch ausgesprochen gut. Oft habe ich mich damit schon im Ansatz überfordert. Dabei war ich jemand, der für viele Dinge Zeit brauchte! In der Schule war ich immer der Letzte der die Schularbeit abgab und auch bei der Matura brachte ich meine Reinschrift nicht mehr fertig. Wie wunderbar war es für mich, Methoden kennen zu lernen, bei denen ich endlich meinem eigenen Rhythmus folgen konnte, wo es sogar von Vorteil war die Dinge langsam zu machen. Nun blicke ich zurück und denke mir: Ich hätte mir noch viel mehr Zeit lassen können! Auch in meiner Arbeit mit meinen Klient_inn_en! Der alte abgeschmackte Satz „Gut Ding will Weile haben“ stimmt einfach!
Wenn wir in die Natur schauen, sehen wir Prozesse, die unglaublich viel Zeit brauchen. Manchmal, wenn die Bedingungen stimmen, kann es auch sehr schnell gehen und es sprießt und blüht alles, wie im Frühling. Nur wenn ein Baum zu seiner vollen Größe und Pracht heranreifen möchte, braucht dies Jahrzehnte und nicht nur bis zum Herbst. Für viele Pflanzen vergehen einige Jahre bis sie Früchte tragen und einige Winzer schätzen sehr alte Rebstöcke, weil sie zwar nicht mehr so zahlreiche, dafür aber besonders süße Trauben entwickeln.
Eines der ersten Dinge, die ich mit fast jeder Klientin/jedem Klienten entwickle, ist die Temporeduktion und das Lauschen nach dem eigenen Rhythmus. Viele sind überrascht wie schnell und gehetzt sie sind und manche halten es kaum aus, sich so langsam zu bewegen. Wenn sie es aber schaffen einmal zur Ruhe zu kommen, entdecken sie den Beginn eines Prozesses, der zur Ganzwerdung führt und deshalb im besten Sinne heilsam ist. Wir müssen nicht ständig Dinge machen, beeinflussen und tun. Wir können Dinge auch entstehen, fließen und wachsen lassen. Natürlich gibt es und braucht es in jedem Prozess auch immer ein Tun. Doch oft ist dieses Tun zu dominant und ausschließlich. Es braucht die richtige Mischung, dass jene Kräfte in uns, die am besten ohne willentliche Kontrolle funktionieren, auch wieder zugelassen werden dürfen. Wenn wir mit der Zeit diese wunderbare Mischung aus Tun und Lassen gefunden haben, führt sie uns in einem tiefen Prozess zu uns selbst und ins Leben. Voller Freude und Dankbarkeit erlebe ich mich, wenn ich diese begleiten darf. Nun konnte ich das bereits 10 Jahre lang und freue mich auf viele weitere!
Auf eine schöne gemeinsame Zeit!
Johannes Zemanek
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