Warum wir im Feldenkrais nichts richtig machen.

Zu den vielen guten Vorsätzen für das neue Jahrhabe ich noch einen weiteren für Euch. Selbstwahrnehmung statt Selbstdarstellung! Oder ist es genau das Gegenteil von den Vorsätzen, die wir uns immer vornehmen und nie einhalten können. Quasi ein Anti-Vorsatz.
Oft würden wir ja gerne in einer bestimmten Art und Weise sein. Etwas gut können, bestimmte Eigenschaften besitzen oder gerade nicht. Ich möchte eine Sprache lernen, besser kochen können, sportlicher oder schlanker sein. Nicht so selten wünschen wir uns, damit in gewisses Ansehen gewinnen zu können. - Gut anzukommen, hat seine Vorteile - Wir müssen keine „Selbstdarsteller“ sein, um uns am Morgen lieber schicker als schäbig anzuziehen oder wenn schäbig, dann mit Stil.
Auch manche Fähigkeiten haben wir uns angeeignet, um gesellschaftlich voran zu kommen. Sie stehen uns gut zu Gesicht, wir wurden gelobt dafür, oder es erschien uns sehr bedrohlich, sie nicht zu können. (Schwere soziale Sanktionen, wie die Versetzung in einen anderen Klassenverband, wären die Folge gewesen.)
Nun gibt es auch Fähigkeiten, die wir aus Freude und Spaß an der Sache ausüben. Das Ergebnis ist dann nicht so wichtig, aber wie ich mich dabei fühle, ist entscheidend. Oft betrifft das nur unsere Hobbies und nicht unseren Beruf. Das fällt für mich in den Bereich der Selbstwahrnehmung. Ich brauche nicht so oder so zu sein, sondern aus dem Interesse an der Sache selbst entsteht das Ergebnis, wie ein Abfallprodukt und nicht als alleiniges Ziel. Ich versuche zu erfassen, was vor sich geht, und so auf den Prozess einzuwirken, sodass er für mich fruchtbar wird. Mein ganz persönlicher Forschungsgegenstand. Wichtig ist dann: Ich nehme mir Zeit und ich lasse mir Zeit!
Aber es gibt doch auch Bereiche, dort werdet Ihr mir sagen, dass ich hier die Sachen richtig machen muss, und falls ich es nicht schaffe, zumindest durch Bemühen signalisieren, dass ich es wirklich wollte. Oft ist es auch noch dadurch charakterisiert, dass es gleich und jetzt passieren sollte. Das mag auch so sein, aber die Gefahr ist, dass wir von innen und außen motivierte Idealbilder von uns selbst kreieren, die wir dann nicht nur anstreben können, sondern unter deren Last auch unsere Lebenslust bis zur Unkenntlichkeit verschütt geht.
Selbstwahrnehmung ist ein ganz anderer Bereich, wo wir Vorstellungs- und Idealbilder nur als Gegenstand unserer Wahrnehmung betrachten und nicht als Stichwort, um uns selbst anzutreiben. Es geht nicht mehr darum, dass es richtig und gut ist, sondern ich möchte mit dem in Kontakt kommen, was wirklich da ist. Was ist mein Eigenes? An einer unserer aller grundlegendsten Fähigkeiten, nämlich Bewegung, kann ich mich dabei wunderbar selbst entdecken. Wie ich gehe, hat oft viel mit mir zu tun, und ob ich zackig, langsam oder schlendernd unterwegs bin, sagt eine Menge über meinen Gemütszustand aus. Nehme ich das wahr? Vielleicht nicht bei mir, aber bei anderen… Gut bekannte Personen erkennen wir schon am Gangbild: „Na, wie du dahergekrochen kommst.“ Da könnten wir gleich wieder einen Veränderungswunsch hegen, wo wir die Selbstwahrnehmung sofort aufgeben und uns bemühen, aufrecht und schön zu gehen. Wir kommen in die Selbstdarstellung und meistens auch keine zehn Meter weit, ohne in unser gewohntes Gangbild zu verfallen. Uns fällt nicht auf, was wir tun, oder was wir einfacher machen könnten. Mit Kraft und Bemühen versuchen wir, uns her-, hin- oder abzurichten. Und wie es kommen muss, versagen wir auf ganzer Linie. Wir waren nicht streng genug...
Mit Feldenkrais haben wir die einmalige Gelegenheit, dieses Muster der guten Vorsätze, der Idealvorstellungen zu unterbrechen und dort anzusetzen, wo wir wirklich sind. Ich beginne zu entdecken, wo ich Gegenspannung abgeben kann und nicht durch größere Anspannung überwinden muss. Was meine Schultern und das Brustbein beim Gehen machen. Welche Rippen sich nach langen Jahren des Ruhestands vielleicht doch mitbewegen wollen. Das erleichtert und intensiviert das Leben. Selbstverständliche Vorgänge werden spannend und interessant, Kraft die ich zur Selbstdarstellung brauchte, kann wegfallen, und ich erlebe unmittelbarer mein eigenes Leben. Vielleicht eine ganz schöne Sache, weil ein zweites habe ich nicht.
Lasst uns gerne gemeinsam forschen und ein reichhaltigeres, stimmigeres Leben genießen, in dem die Mittel für Veränderung und Resilienz aus der Reifung mit Selbstwahrnehmung kommen, und wir nicht mehr für innere oder äußere Instanzen eine Perfomance der Selbstdarstellung abliefern müssen.
Ich wünsche Euch ein gutes neue Jahr!Johannes Zemanek
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